Donnerstag, 18. Mai 2017

Mein Zeit in Tenkodogo: Ein Rückblick vier Monate danach

Paul und Abbé Denis verabschieden mich vor meiner Abreise aus Tenkodogo.
Es mag anders aussehen, aber ein wirklich trauriger Moment.

Schon über vier Monate ist es jetzt her, dass ich aus Tenkodogo in Burkina Faso wiedergekommen bin und natürlich hat mich der Alltag hier mittlerweile wieder voll im Griff. Trotzdem oder grade deshalb will ich in diesem letzten Blogeintrag zu meinem Aufenthalt in Afrika zum einen über meine letzte Woche in Afrika, die ich euch bisher noch schuldig geblieben bin, berichten. Insbesondere will ich zum Anderen aber versuchen, meine Zeit in Afrika mit etwas Abstand zu bewerten. 

Da es wenig sinnvoll ist, vier Monate später alle Erlebnisse der letzten Woche in Afrika bis ins Detail zu beschreiben, möchte ich die wichtigsten Momente meiner achten Woche in Burkina anhand von Fotos - verteilt über den gesamten Blogbeitrag - darstellen. Bilder sagen ja sowieso mehr als Tausend Worte, wie es so schön heißt. 

Ein Radrennen in Tenkodogo mit vielen Zuschauerinnen und Zuschauern

Doch nun zur Frage, was mir meine Zeit in Tenkodogo eigentlich gebracht hat. Zunächst einmal war es eine großartige Erfahrung, die spannendste in meinem Leben. Ich weiß, sowas kann nicht jede_r erleben. Ich bin sowohl der Friedrich-Ebert-Stiftung, als auch dem Freundeskreis Hofheim-Tenkodogo e.V. sehr dankbar, dass sie mir die Möglichkeit dazu gegeben haben.


Mit Pauls und Denises Kindern beim Tô-Kochen

Ich habe Burkina als eine komplett andere Welt erlebt. Man braucht sich nicht einmal sechs Stunden in ein Flugzeug zu setzen und schon sieht man, wie Menschen auch leben, ganz anders als wir in Mitteleuropa. Nicht mehr vergessen werde ich z.B. die Kuhherde, die von Kindern direkt nach unserer Ankunft in Ouagadougou über die Straße geführt wurde. Aber auch die kleinen Lehmhütten am Straßenrand auf dem Land, in denen ganze Familien ohne Strom, Wasser und alles leben, was wir in Deutschland als normal und einfach gegeben ansehen. Ich bewundere die Burkinabé. Sie sind Überlebenskünstler_innen und lachen dabei, wann immer es geht.

In Deutschland hört man oft das Vorurteil: „Die Afrikaner sind faul.“ Durch mein Praktikum bei OCADES Caritas in Tenkodogo konnte ich die Arbeitsroutinen und –weisen der Menschen in Burkina Faso kennenlernen und hautnah miterleben. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dieses Vorurteil falsch ist. Arbeitsbeginn war jeden Morgen um 7 Uhr und es wurde bis abends geschafft. Klar, für mich gab es nicht immer etwas zu tun, aber das ist bei Praktika in Deutschland sicherlich auch manchmal so. Wichtig ist, dass ich immer wieder mit anpacken konnte und das Gefühl hatte, gebraucht zu werden, z.B. habe ich den Vertrag zwischen dem Freundeskreis und Caritas übersetzt. 


Abschied von meinen Kolleg_innen in der inklusiven Grundschule

Auch meine Woche in der inklusiven Grundschule St. Vincent de Paul für sehbinderte Kinder war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Dort wurde nicht wie bei uns ewig lange über inklusive Bildung geredet, sondern einfach damit angefangen, auch wenn nicht alles direkt geklappt hat. Wir sollten uns vom burkinischen Pragmatismus ruhig mal eine Scheibe abschneiden. In jeder Klasse waren 65 Kinder. Das ist in Burkina normal. Und wir regen uns in Deutschland über 30 Schüler_innen auf? 


Der Pfarrer der Gemeinde, in der ich lebte, und ich

Insgesamt bin ich bei Caritas, in der Schule und in der Gemeinde, wo mein Zimmer war, extrem freundlich aufgenommen worden (habe bspw. kostenlos ein Moped zur Verfügung gehabt) und konnte immer jemanden mit einem offenen Ohr finden.

Zur Sprache muss hier natürlich aber auch kommen, dass die zwei Monate nicht immer einfach waren. Es ist schon eine Herausforderung, als Mitteleuropäer in einem der ärmsten Länder Welt zwei Monate lang zu leben. Man wird ständig als „der Weiße“ wahrgenommen und fühlt sich teilweise auch beobachtet, weil man weit und breit der einzige Weiße ist. Das ist von Seiten der Burkinabé überhaupt nicht böse gemeint, fühlt sich aber dennoch manchmal etwas komisch an. Trotzdem bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Ich denke, es muss für Menschen, die nicht weiß sind, in Deutschland unheimlich schwierig sein – grade in der heutigen Zeit, in der sich die politische Debatte immer weiter auflädt.


Am letzten Abend mit Denise und Paul

Natürlich gab es auch Zeiten, in denen ich mir gewünscht habe, sofort wieder in Deutschland zu sein und am Ende war ich natürlich auch sehr froh, wieder daheim zu sein, wieder unser Essen zu genießen (und sei es ein Käsebrot). Ich denke, man lernt durch solche Erfahrungen viel mehr zu schätzen, was man davor als normal angesehen hat. Die Wertschätzung für die einfachen Dinge des Lebens steigt enorm.  


Abschied von Sinaré in Ouaga

Dank Paul und seiner Frau hatte ich zudem die einmalige Möglichkeit, das Leben in einer burkinischen Familie kennenzulernen. Es war großartig zu sehen, wie die drei Kinder (was noch ziemlich wenig ist im Vergleich) lachen und spielen – genau wie bei uns. Anders ist aber, dass die Kinder auf einer Bastmatte, die jeden Abend im Wohnzimmer ausgerollt wird, schlafen. Nicht in Betten oder sogar in eigenen Zimmern. In Erinnerung ist mir auch geblieben, dass ausschließlich Denise, Pauls Ehefrau, gemeinsam mit dem Kindermädchen für den Haushalt zuständig war. Sie haben gekocht, gewaschen usw. Es gibt in Burkina noch viel strengere Rollenbilder als bei uns. Mir fiel es schwer, das zu akzeptieren und nicht selbst auch zu helfen, z.B. beim Tischdecken. Zudem lebte Pauls Bruder, der grade mitten im Abitur war, auch mit im Haus. Ich denke, das Unterstützen von Familienangehörigen ist in Burkina normal, denn soziale Absicherung durch den Staat gibt es nicht. Das heißt auch, dass Menschen, die Geld verdienen, teilweise nicht nur ihre eigenen Familie ernähren müssen, sondern auch Cousins und Cousinen, Großeltern und so weiter.


auf dem Moped in der Hauptstadt der Mopeds Ouaga

Alles in allem bin ich den Menschen, die mich in Tenkodogo so wunderbar empfangen und sich so großartig um mich gekümmert haben, unsagbar dankbar. 

Paul, der abends jeden Tag mit mir Essen war, mir das Mopedfahren beigebracht hat, mich nach meinem Mopedunfall verarztet hat und mit dem ich mich wunderbar austauschen konnte – über Deutschland, Burkina, Politik und vieles mehr.

Denise, die für mich kochte, meine Wäsche wusch, ohne etwas dafür zu wollen. Einfach so.


Louis, der immer bereit war, sich mit mir auf ein Bier zu treffen, der von einem Fußballinternat in Tenkodogo träumt und der als Stadtverordneter in Tenkodogo ein Kollege von mir ist.

Sinaré, der mit mir Schuhe kaufen war und mich von Tenkodogo nach Ouaga gebracht hat.


Meine Kollegen Monsieur l’Abbé Dénis, Abbé Lucien, Martine, Bayala, M. Sina und Lazare, die dieses Praktikum unvergesslich gemacht haben.


Die Kathedrale von Ouagadougou am Tag der Taufe von Erics Tocher

Ein paar Mopeds neben der Kathedrale

Ich war nie alleine, wusste immer jemanden, zu dem ich gehen konnte. Das war ungemein wichtig. All diese Menschen, mit denen ich auch heute noch regen Kontakt habe, aber auch das Lächeln, die Freude und Dankbarkeit der Menschen auf den Dörfern, als unsere Delegation kam, um zu helfen, haben mir gezeigt, dass es sich ungemein lohnt, sich für besseres Leben in Burkina Faso und eine gerechtere Verteilung von Wohlstand in der Welt einzusetzen. Diesen Menschen geht es so schlecht, weil es uns so gut geht.


Stolze Eltern mit dem Taufkind

Anstehen für die Taufe

Ich möchte mich deshalb weiter beim Freundeskreis Hofheim-Tenkodogo engagieren, denn er leistet wirklich hervorragende Arbeit in Tenkodogo. Jeder gespendete Euro fließt direkt in wunderbare Projekte – Brunnen, Schulgebäude, Krankenstationen usw. – und nicht in dicke Autos von großen Hilfsorganisationen, über die ich mich des öfteren aufgeregt habe.

Deshalb werde ich in den nächsten Monaten hier in Deutschland in einigen Vorträgen von meinen Erfahrungen berichten, um die Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Vielleicht findet sich dabei ja noch jemand, der für den Verein ein Praktikum in Tenkodogo machen will.


Aristide und ich kurz vor dem Abflug

Das würde mich freuen, denn insbesondere die Abiturient_innen, mit denen ich meinen Workshop durchführte, haben mir verdeutlicht, wie richtig es für mich war, dieses Abenteuer Burkina Faso zu wagen. Die Welt ist klein und wir sind groß. Treffender als dieses Zitat von Mark Forster lässt sich mein Aufenthalt wohl nicht beschreiben und immer, wenn dieser Song im Radio läuft, erinnere ich mich mit feuchten Augen an meine Zeit in Afrika.

Es waren die Menschen, die diesen Aufenthalt zu dem gemacht haben, was er war. Liebes Burkina, ich komme wieder! Cher Burkina Faso, un jour je reviendrai!


Letztes Foto mit Louis und Eric,
die mich zum Flughafen gebracht haben