Dienstag, 14. August 2018

Rassismus-Debatte: Leserbrief zum Vorwort der aktuellen Ausgabe der "Fan geht vor"

Seit einiger Zeit lese ich regelmäßig die 1. Frankfurter Allgemeine Fanzeitung "Fan geht vor" und freue mich bei Heimspielen der Eintracht jedes Mal die neueste Ausgabe zu erstehen. Im Vorwort der aktuellsten Ausgabe hat mir ein Absatz jedoch sehr zu schaffen gemacht, deshalb habe ich einen Leserbrief an die Redaktion geschickt.

Der entsprechende Auszug aus dem Vorwort der Fgv aus August/September 2018

Lieber Jörg,

zunächst will ich die Chance nutzen und die FGV-Redaktion zur vorliegenden Doppelausgabe beglückwünschen. Das Fotoalbum sowie die Erfahrungsberichte zum Pokalsieg sind hervorragend und haben mir viele schöne Erinnerungen an diesen unvergesslichen 19. Mai 2018 mit auf den Weg gegeben.

Ich schreibe diesen Leserbrief jedoch aus einem anderen Grund, denn ein Teil Deines Vorworts ist mir durchaus sauer aufgestoßen. Dort wird Mesut Özils Verhalten auf eine Art und Weise gebrandmarkt, die mir entschieden zu weit geht. Ja, es war ein Fehler, sich mit Erdogan kurz vor der türkischen Präsidentschaftswahl ablichten zu lassen. Ja, es war vermutlich ein Fehler, öffentlich lange nichts zu diesem Foto zu sagen. Aber nein, Mesut Özil ist nicht der Hauptgrund, warum das DFB-Team in der Vorrunde ausgeschieden ist, auch wenn Bierhoff und insbesondere Grindel im Nachhinein versucht haben diese Falschannahme zu etablieren und damit offensichtlich auch bei Dir Erfolg hatten. Unser unvergessener norwegischer Siegtorschütze von 1999 Jan Aage Fjörtoft nannte diese Schuldzuweisungen von Seiten des DFB im Übrigen „erbärmlich“ – und das zurecht.

Ganz besonders geärgert habe ich mich über deine Aussage, Mesut Özil suggeriere einen „Rassismus in Deutschland allgemein sowie speziell im Fußballverband, der so definitiv nicht vorhanden ist, wodurch er Hass und Hetze sowie politischer Ausnutzung wieder eine Plattform bereitet hat“. Die Pauschalität dieser Aussage ärgert mich ernsthaft. Für mich ist es Rassismus, wenn ein Spieler aufgrund eines Fotos von allen Seiten aufs Übelste beleidigt wird. Für mich ist es Rassismus, wenn ein DFB-Präsident, Mesut die Schuld gibt, dass Thomas, Timo und Manuel eine schlechte WM gespielt haben. So wird Integration nicht funktionieren. Richtig wäre es gewesen, wenn sich die deutsche Nationalelf hinter Özil gestellt hätte – so wie es die schwedische Nationalmannschaft vorgemacht hat – und diese ganze unsägliche Rassismus-Debatte klar und eindeutig verurteilt hätte. Doch passiert ist leider nichts. Dass Özil einen solchen Rassismus zurecht anprangert, zeigen außerdem sowohl die #MeTwo-Debatte auf Twitter, bei der viele Betroffene von ihren Erfahrungen berichten, als auch Romelu Lukakus Erzählung aus seiner Kindheit und Jugend („Wenn ich gut spielte, nannten sie mich ‚Lukaku, den belgischen Stürmer‘. Wenn ich schlecht spielte, nannten sie mich ‚Lukaku, den belgischen Stürmer kongolesischer Abstammung‘.“). 

Özil hat mit seinen Aussagen nicht Hass und Hetze eine Plattform bereitet, sondern eine Debatte angestoßen, die wir in Deutschland viel zu lange nicht geführt haben und nun – fernab von Fotos mit Erdogan – endlich führen sollten.

Viele Grüße
Jonas