Die Delegierten der
Bezirkskonferenz der Jusos Hessen-Süd mögen beschließen:
Die Jusos Hessen-Süd lehnen den von der Hessischen Landesregierung
vorgelegten Entwurf des sogenannten Hessischen Kinderförderungsgesetzes ab. Das
Kinderförderungsgesetz wird weder den
Zielen guter, pädagogisch sinnvoller Arbeit in den
Kinderbetreuungseinrichtungen, noch angemessenen Arbeitsbedingungen für die
Beschäftigten gerecht. Vielmehr wird es dazu beitragen, die Qualität der Arbeit
der Kinderbetreuungseinrichtungen zu verschlechtern. Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten haben sich in ihrer Vergangenheit immer für gute – auch
frühkindliche - Bildung eingesetzt, weil sie verstanden haben, dass diese
Grundlage für ein erfülltes Leben ist.
Aus diesem Grunde
fordern die Jusos Hessen-Süd die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag dazu auf,
sich im Landtag weiter gegen das sogenannte Kinderförderungsgesetz und für seine
Rücknahme einzusetzen. Sollte die SPD nach der Landtagswahl am 22. September
2013 in Hessen in Regierungsverantwortung sein, möge sie das sogenannte
Kinderförderungsgesetz aufheben und übergangsweise wieder die derzeit gültige Mindestverordnung
in Kraft setzen, bis ein neues Gesetz in enger Kooperation mit den Trägern der
Betreuungseinrichtungen entstanden ist und nach seiner Verabschiedung im Hessischen
Landtag in Kraft tritt.
Begründung:
Das sogenannte Kinderförderungsgesetz von CDU/FDP sieht –
anders als der Status Quo der Mindestverordnung, der eine gruppenbezogene
Förderung beschreibt - eine Fallpauschale pro tatsächlich aufgenommen Kind vor.
Dieser Umstand führt dazu, dass die Gruppen bis zum maximal möglichen Punkt
gefüllt werden, weil den Einrichtungen erst dann ein Mindestmaß an finanziellen
Mitteln für die Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Dabei kann und wird es in
vielen Einrichtungen zu Gruppen mit bis zu 25 Kindern kommen; zwar gibt es
solche Gruppengrößen auch schon heute, da die derzeit gültige Mindestverordnung
eine Bandbreite von 15-25 Kindern vorsieht, allerdings wird die Zahl der
Gruppen mit 25 Kindern aufgrund des Kinderförderungsgesetzes stark steigen.
Dies ist aus Qualitätsgesichtspunkten keinesfalls zu vertreten.
Die Pauschale pro tatsächlich aufgenommenem Kind wird
ebenfalls dazu führen, dass es mehr Teilzeitarbeit und mehr befristete
Arbeitsverhältnisse im Kita-Bereich geben wird, denn es gibt keine
verlässliche, dauerhafte Förderung mehr. Dies wird sich negativ auf die
Qualität in den Kindertagesstätten auswirken.
Ebenfalls sehr kritisch zu sehen, sind die Gruppengrößen im U3-Bereich:
Das KiföG lässt hier Gruppen mit bis zu 16 Kindern zu. Eine solche Anzahl wird
in keinster Weise den Anforderungen an frühkindliche Bildung gerecht. Richtwert
sollten Gruppengrößen mit höchstens zehn Kindern sein!
Die Tatsache, dass Gruppengrößen nach wirklich anwesenden
Kindern berechnet werden, führt aber nicht nur zu großen Gruppen, sondern auch
dazu, dass das sogenannte „Platzsharing“, also die Aufteilung eines
Kita-Platzes auf mehrere Kinder, möglich wird. Es kann deshalb dazu kommen,
dass eine Arbeitskraft für mehr als 25 Kinder zuständig ist; ein Umstand, der
für uns Jusos nicht tragbar ist.
Gleichzeitig führt die Pauschale pro tatsächlich aufgenommenem
Kind im ländlichen Raum zu großen finanziellen Schwierigkeiten für die Träger
der Kindertageseinrichtungen, da die Kinderanzahl, um eine Gruppe komplett zu
füllen, überhaupt nicht erreicht werden kann. Kleine Einrichtungen werden
deshalb in ihrer Existenz bedroht!
Des Weiteren besteht die Möglichkeit, bis zu 20 Prozent der
Personalstellen mit Nicht-Fachkräften zu besetzen. Hierdurch wird pädagogische
Arbeit entprofessionalisiert und gleichzeitig wird auch die angestrebte
Aufwertung des ErzieherInnen-Berufs absolut verfehlt. Die Möglichkeit,
Nicht-Fachkräfte als „wirkliche“ Fachkräfte anrechnen zu können, lehnen wir
Jusos deshalb ab; auch weil man durch diese Anrechnung den gestiegenen
Anforderungen an frühkindliche Bildung nicht mehr gerecht werden kann.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die fehlende Regelung zur
Integration von Kindern mit Förderbedarf, die beim personellen Bedarf und der
Gruppengröße nicht berücksichtigt wird. Zwar soll es einen finanziellen Zuschlag
geben, doch deckt dieser die Erfordernisse bei weitem nicht ab. Erforderlich
wäre ein Fachfaktor, wie er auch für Kinder unter drei Jahren vorgesehen ist,
sodass Gruppen, die über ein Kind oder ggf. sogar mehrere Kinder mit
Förderbedarf verfügen, kleiner werden. Integration von Kindern mit Förderbedarf
in Gruppen mit 25 Kindern ist schlicht unmöglich!
Außerdem enthält das KiföG keine Vorgaben zur Umsetzung der
UN-Behindertenrechtskonvention. Für uns Jusos ist aber die Inklusion von
Menschen mit Behinderung in Regel-Einrichtungen ein zentraler Punkt unserer
Sozial- und Bildungspolitik. Deshalb kann es mit uns ein solches Gesetz ohne
Vorgaben zur Umsetzung der UN-BRK nicht geben.
Im Übrigen macht das KiföG auch keine Angaben zu einem
anderen Fachkraftschlüssel für die Inklusion anderweitig Benachteiligter wie
Kinder mit Migrationshintergrund und/oder aus schwierigen
Familienverhältnissen, was aus der Sicht der Jusos aber unabdingbar wäre.
Das KiföG schafft Anreize die Öffnungszeiten gering zu halten.
Dadurch werden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert und vor allem
Frauen vom Arbeitsmarkt ferngehalten. Dies widerspricht jungsozialistischer
Politik.
Ein weiteres Problem des Kinderförderungsgesetzes ist, dass
der Aufwand für Leitungsfunktionen und für pädagogische Vor- und Nachbereitung
überhaupt nicht berücksichtigt wird. Auch hierdurch werden die Qualität in den
Einrichtungen reduziert und die Arbeitsverhältnisse der ErzieherInnen
geschwächt.
Auch sind zu geringe Ausfallzeiten für Krankheit und
Fortbildung der ErzieherInnen vorgesehen.
Sehr kritisch zu sehen ist auch die neue Stichtagregelung,
durch welche die Einrichtungen keine Möglichkeiten mehr haben, Plätze für
nachrückende Kinder freizuhalten, da die Pauschale nur für anwesende Kinder
gezahlt wird. Die Einrichtungen haben dadurch keine Planungssicherheit mehr.
Abschließend kommen wir Jusos zu dem Fazit, dass im KiföG
vor allem betriebswirtschaftliche Vorgaben im Vordergrund stehen. Die
Pauschalen sind willkürlich gesetzt und spiegeln wider, was die Landesregierung
bereit war, an finanziellen Mitteln zur Verfügung zu stellen.
Das KiföG orientiert sich nicht an den Erfordernissen
frühkindlicher Bildung und setzt keine Qualitätsmaßstäbe; vielmehr mindert es
an entscheidenden Stellen die Qualität. Die Bedürfnisse der Kinder und ihrer
Eltern, aber auch die der Beschäftigten werden außer Acht gelassen.
Der Name des Gesetzes suggeriert zwar einen Fortschritt in
der frühkindlichen Bildung in Hessen; in Wirklichkeit aber bedeutet es einen
klaren Rückschritt im Vergleich zum Status Quo. Deshalb lehnen die Jusos
Hessen-Süd das Gesetz grundlegend ab und fordern von der SPD-Landtagsfraktion
die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes in enger Kooperation mit den Trägern der
Betreuungseinrichtungen!
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