Dies ist der erste Teil des Blog-Duells zwischen Carsten Sinß, dem Vorsitzenden der Jusos Hessen-Süd und mir. Meine Antwort bzw. meine Meinung zum Thema wird nicht lange auf sich warten lassen - versprochen.
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In unregelmäßigen Abständen liefere ich mir "Blog-Duelle" mit
anderen Bloggern. Dieses mal tauschen Jonas
Tresbach und ich unsere unterschiedlichen Ansichten im Fall Jakob
von Metzler aus. Sobald Jonas erwidert hat, wird sein Artikel hier ebenfalls
veröffentlicht und verlinkt. Viel Spaß dabei :-)
Gestern lief im ZDF eine Verfilmung über die Ermordung des 2002
ermordeten und damals 11-jährigen Jakob von Metzler sowie den damaligen
stellvertretenden Polizeipräsidenten Wolfgang Daschner, gespielt von Robert
Atzorn. Bekanntermaßen erpresste Daschner damals erfolgreich unter der
Androhung von Gewalt den Aufenthaltsort des Jungen, welcher zu diesem Zeitpunkt
allerdings schon tot war – ermordet durch den Entführer und in der Folge zu
lebenslanger Haft verurteilten Magnus Gäfgen. Daschner und ein Mittäter wurden
später der Nötigung schuldig gesprochen und mit einer Bewährungs- und
Geldstrafe belegt. Natürlich kocht nun wieder die damals schon sehr emotional
geführte Diskussion hoch, was ein Staat bzw. einer seiner Vertreter tun darf,
um ein (junges und unschuldiges) Menschenleben zu retten.
Die Staatsanwaltschaft forderte für Daschner seinerzeit eine Bestrafung wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die in der deutschen Rechtsordnung garantierten Rechte auch des Angeklagten und insbesondere gegen den aus Art. 1 GG herzuleitenden unbedingten Schutz der Menschenwürde jedes Bürgers. Dieser Verstoß wiegt umso schwerer, als es sich bei Daschner um einen hochgestellten Repräsentanten des Staates in führender Position mit entsprechender Vorbildfunktion handelte.
Die Verteidigung vertrat hingegen die Ansicht, Daschner habe sich in einer schwerwiegenden und beispiellosen Situation befunden, in der er zwischen der Menschenwürde des entführten Kindes und der des Entführers habe abwägen müssen. Hierbei habe er sich nach Ausschöpfung aller ermittlungstechnischen Möglichkeiten letztlich zugunsten des Entführungsopfers entschieden, um Schaden von dem Tatopfer abzuwenden.
Diese Beschreibung zeigt deutlich, in welchem Dilemma sich Daschner zum damaligen Zeitpunkt befunden haben muss. Emotional dürfte auch klar sein, in welche Richtung wohl das Urteil des Großteils der Bevölkerung ausfallen dürfte, wenn sie die „Recht“mäßigkeit des Handelns von Herrn Daschner zu bewerten hätten. Dennoch kam das zuständige Gericht damals zu dem in der Bevölkerung dementsprechend umstrittenen Urteil, die von Daschner angeordnete Androhung von Schmerzen mit dem Ziel, eine Aussage zu erzwingen, habe im hessischen Polizeirecht keine Grundlage und sei damit rechtswidrig. Selbst in dieser Situation, so der Richterspruch, dürfe kein Präzedenzfall geschaffen und die Verletzung der Menschenwürde des Täters in Kauf genommen werden. Zurecht, ist doch der Bruch mit dem eigenen Rechts- und Wertesystem, kodifiziert in Artikel 1 des Grundgesetzes, durch nichts zu rechtfertigen. Ähnliche Herausforderungen hatte der deutsche Rechtsstaates beispielsweise durch den RAF-Terrorismus und die Schleyer-Entführung in den 1970er Jahren zu bewältigen und, ja, auch zu ertragen. Denn der liberale Rechtsstaat wie wir ihn kennen ist gerade auch durch die Grenzen definiert, die er sich selber setzen muss, um bürgerliche Freiheitsrechte nicht zu gefährden. Eine extreme Lage wie die im Entführungsfall Metzler zeigt in aller Tragik, dass diese Freiheitsrechte mitunter einen Preis haben, der jedoch bezahlt werden muss – leider. Gerade die deutsche Historie dürfte Warnung genug sein, was passieren kann, wenn man einem (Polizei)Staat – wenn auch nur in Extremsituationen als ultimative Waffe des Staates zum Wohle der Bürger – das Feld öffnet, sich nur noch nach eigenem Ermessen an den rechtsstaatlichen Rahmen zu halten oder dessen Rahmen durch das Rechtssystem zu erweitern.
In diesem Falle handelte Daschner nicht nur in dem festen Willen, dass Rechtssystem zu verteidigen, sondern vor allem primär auch die darin lebenden Menschen. Auch wenn ihn dies nicht die absolute Handlungsvollmacht im Extremfall zubilligt, sollte das Dilemma und die Abwägung der Handlung Berücksichtigung bei der Bewertung und Beurteilung seines Handelns finden. Das Gericht versuchte den schier unmöglichen Spagat und hielt Daschner zugute, dass er sich als leitender Ermittler unbestrittenermaßen in einer nahezu ausweglosen Situation befunden habe. Seiner Entscheidung, zum Wohle des Tatopfers die Grenzen des rechtlich Zulässigen zu überschreiten, läge eine „ehrenwerte, verantwortungsbewusste Gesinnung des Angeklagten“ zu Grunde. Auch der Umstand, dass Daschner selbst mit dem von ihm erstellten Aktenvermerk die erst drei Wochen später begonnene strafrechtliche Aufarbeitung des Vorfalls wesentlich erleichtert, wenn nicht sogar überhaupt erst ermöglicht habe, sprach zu seinen Gunsten und fand sich in dem im Verhältnis zur möglichen Höchststrafe sehr milden Urteilsspruch wider.
Das Rechtssystem hat hier also die ihm zur Verfügung stehende Bandbreite zu Gunsten seiner Hüter ausgenutzt, auch wenn es am Ende zu keinem anderen Urteil kommen konnte, ohne nicht das eigene Fundament zu beseitigen, auf dem es fußt und gründet. So bitter das für das Einzelschicksal des Jakob von Metzler, seinem Umfeld und all denjenigen, die diese abscheuliche Tat auf das äußerste verachten – ich zähle mich dazu – auch sein mag.
Die Staatsanwaltschaft forderte für Daschner seinerzeit eine Bestrafung wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die in der deutschen Rechtsordnung garantierten Rechte auch des Angeklagten und insbesondere gegen den aus Art. 1 GG herzuleitenden unbedingten Schutz der Menschenwürde jedes Bürgers. Dieser Verstoß wiegt umso schwerer, als es sich bei Daschner um einen hochgestellten Repräsentanten des Staates in führender Position mit entsprechender Vorbildfunktion handelte.
Die Verteidigung vertrat hingegen die Ansicht, Daschner habe sich in einer schwerwiegenden und beispiellosen Situation befunden, in der er zwischen der Menschenwürde des entführten Kindes und der des Entführers habe abwägen müssen. Hierbei habe er sich nach Ausschöpfung aller ermittlungstechnischen Möglichkeiten letztlich zugunsten des Entführungsopfers entschieden, um Schaden von dem Tatopfer abzuwenden.
Diese Beschreibung zeigt deutlich, in welchem Dilemma sich Daschner zum damaligen Zeitpunkt befunden haben muss. Emotional dürfte auch klar sein, in welche Richtung wohl das Urteil des Großteils der Bevölkerung ausfallen dürfte, wenn sie die „Recht“mäßigkeit des Handelns von Herrn Daschner zu bewerten hätten. Dennoch kam das zuständige Gericht damals zu dem in der Bevölkerung dementsprechend umstrittenen Urteil, die von Daschner angeordnete Androhung von Schmerzen mit dem Ziel, eine Aussage zu erzwingen, habe im hessischen Polizeirecht keine Grundlage und sei damit rechtswidrig. Selbst in dieser Situation, so der Richterspruch, dürfe kein Präzedenzfall geschaffen und die Verletzung der Menschenwürde des Täters in Kauf genommen werden. Zurecht, ist doch der Bruch mit dem eigenen Rechts- und Wertesystem, kodifiziert in Artikel 1 des Grundgesetzes, durch nichts zu rechtfertigen. Ähnliche Herausforderungen hatte der deutsche Rechtsstaates beispielsweise durch den RAF-Terrorismus und die Schleyer-Entführung in den 1970er Jahren zu bewältigen und, ja, auch zu ertragen. Denn der liberale Rechtsstaat wie wir ihn kennen ist gerade auch durch die Grenzen definiert, die er sich selber setzen muss, um bürgerliche Freiheitsrechte nicht zu gefährden. Eine extreme Lage wie die im Entführungsfall Metzler zeigt in aller Tragik, dass diese Freiheitsrechte mitunter einen Preis haben, der jedoch bezahlt werden muss – leider. Gerade die deutsche Historie dürfte Warnung genug sein, was passieren kann, wenn man einem (Polizei)Staat – wenn auch nur in Extremsituationen als ultimative Waffe des Staates zum Wohle der Bürger – das Feld öffnet, sich nur noch nach eigenem Ermessen an den rechtsstaatlichen Rahmen zu halten oder dessen Rahmen durch das Rechtssystem zu erweitern.
In diesem Falle handelte Daschner nicht nur in dem festen Willen, dass Rechtssystem zu verteidigen, sondern vor allem primär auch die darin lebenden Menschen. Auch wenn ihn dies nicht die absolute Handlungsvollmacht im Extremfall zubilligt, sollte das Dilemma und die Abwägung der Handlung Berücksichtigung bei der Bewertung und Beurteilung seines Handelns finden. Das Gericht versuchte den schier unmöglichen Spagat und hielt Daschner zugute, dass er sich als leitender Ermittler unbestrittenermaßen in einer nahezu ausweglosen Situation befunden habe. Seiner Entscheidung, zum Wohle des Tatopfers die Grenzen des rechtlich Zulässigen zu überschreiten, läge eine „ehrenwerte, verantwortungsbewusste Gesinnung des Angeklagten“ zu Grunde. Auch der Umstand, dass Daschner selbst mit dem von ihm erstellten Aktenvermerk die erst drei Wochen später begonnene strafrechtliche Aufarbeitung des Vorfalls wesentlich erleichtert, wenn nicht sogar überhaupt erst ermöglicht habe, sprach zu seinen Gunsten und fand sich in dem im Verhältnis zur möglichen Höchststrafe sehr milden Urteilsspruch wider.
Das Rechtssystem hat hier also die ihm zur Verfügung stehende Bandbreite zu Gunsten seiner Hüter ausgenutzt, auch wenn es am Ende zu keinem anderen Urteil kommen konnte, ohne nicht das eigene Fundament zu beseitigen, auf dem es fußt und gründet. So bitter das für das Einzelschicksal des Jakob von Metzler, seinem Umfeld und all denjenigen, die diese abscheuliche Tat auf das äußerste verachten – ich zähle mich dazu – auch sein mag.
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